Rohfassungen überarbeiten

Endlich ist es so weit – die Rohfassung ist fertig! Und jetzt?

Eine Rohfassung ist natürlich noch kein fertiger Roman. Jedenfalls bei mir nicht – es mag Autoren geben, die das können, aber ich glaube, die sind relativ selten. Bei den allermeisten schließt sich an die Rohfassung erstmal die Überarbeitung an.
Überarbeitungen, um ehrlich zu sein, schließlich ist es selten mit einer Runde getan.

Wie aber funktioniert das?

Bei meinen Kurzgeschichten ist es keine große Sache. Die schreibe ich runter, lasse sie eine Woche liegen und gucke nochmal drüber. Logikfehler, Grammatik- und Rechtschreibfehler, passt die Stimmung, funktioniert der Spannungsbogen? Meistens passt alles ganz gut und die Überarbeitung ist in einer Stunde abgehakt.

Bei Romanen ist das freilich eine andere Geschichte.

Ich habe über mehrere Monate hinweg einen Near Future-Thriller – oder eher eine Dystopie? Ich bin noch nicht ganz sicher – geschrieben, den ich irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft veröffentlichen möchte. Leider ist das Ding ein ziemlicher Brocken, und jetzt bin ich erstmal beschäftigt damit, es zu überarbeiten.

Eine Überarbeitung dient dazu, den Text lesertauglich zu machen. Das ist bei einem Roman ganz schön viel Arbeit und funktioniert für mich am besten, wenn ich zeitlichen und emotionalen Abstand dazu habe. Das heißt, die geschriebene Rohfassung landet erstmal in der virtuellen Schublade und wird nicht mehr angeguckt.

Dann, wenn ich mich dazu bereit fühle, hole ich sie wieder raus und lese sie. Diesmal habe ich nicht besonders lange durchgehalten, so sehr brenne ich für die Geschichte – die Pause betrug ungefähr zwei Wochen. Ich hatte mir mehr vorgenommen, aber manchmal klappt es eben nicht so, wie man denkt.

Beim Lesen versuche ich, aus Lesersicht zu schauen und nicht aus Autorensicht. Ich mache mir Notizen.

  • Ist die Handlung in sich schlüssig?
  • Verhalten die Charaktere sich so, wie es zu ihnen passt, oder fallen sie aus der Rolle?
  • Haben alle Figuren ausreichend starke Handlungsgründe?
  • Sind die Dialoge nachvollziehbar und lebendig?
  • Funktioniert der Spannungsbogen oder gibt es Stellen, an denen er gewissermaßen durchhängt?
  • Gibt es Szenen, die ich nur geschrieben habe, um sie zu schreiben, und die weder den Plot voranbringen noch dem Leser meine Charaktere näherbringen? Wenn Ja, müssen die raus.
  • Kann man den Text flüssig lesen oder stockt es irgendwo? Muss ich einige Absätze nachjustieren?
  • Fehlen Szenen zum besseren Verständnis?
  • Ist der Weltenbau nachvollziehbar?
  • Gibt es lose Enden, die ich übersehen habe?

All diesen Fragen gehe ich auf den Grund. Ich schreibe Szenen neu, streiche ganze Absätze, poliere an Dialogen und Beschreibungen herum. Ich versuche, auf Wortwiederholungen und schwache, ausgelutschte Formulierungen zu achten – dabei ist die Stilanalyse von Papyrus Autor eine große Hilfe, obwohl man da auch abwägen muss. Manche Füllwörter haben ihren Zweck und sollten nicht gestrichen werden, nur, weil ein Programm sie mir anmarkert. Trotzdem hilft es, über jedes Wort mal kurz nachzudenken. Aber es dauert natürlich auch. Ich bin ungeduldig. Überarbeitung fällt mir schwer.

Und wenn ich fertig bin mit dem ersten Durchgang? Was dann?
Dann lasse ich die Geschichte nochmal liegen, jedenfalls ist das mein Plan. Und nach einer Woche oder zweien lese ich sie erneut, und wenn sie mir gefällt, werde ich sie Testlesenden vorstellen. Für Raining Stars – so der von einem Lord of the Lost-Song entliehene Arbeitstitel – bin ich sehr zuversichtlich, motivierte Unterstützung zu finden. Es geht nichts über Menschen, die anderer Leute unfertige Romane testlesen!

Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten, zu überarbeiten. Manche fangen damit gleich nach der Fertigstellung der Rohfassung an, andere geben die Rohfassung gleich an Alphaleser… Das muss jeder für sich selber wissen und ausprobieren.

Wie haltet ihr das? Überarbeitet ihr sofort, wenn ihr fertig geworden seid, oder braucht ihr ein bisschen Zeit bis zur ersten Überarbeitung?

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